Rechtsextremismus in der Justiz

Zum gleichnamigen Seminar von Anna Maria Grill, Noemí Harth und Marie Müller-Elmau.

Der Text ist zuerst erschienen im Magazin rechtverblueffend.

© Jolanda Olivia Zürcher

Ein folgenschweres Erbe

Das deutsche Justizsystem ist, wie wir wissen, nicht unbelastet. Ein „perfektes” Justizsystem gibt es vermutlich auch nicht. Das Problem des Rechtsextremismus ist kein neues, und auch kein ausschließlich deutsches Problem. Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges war die Frage zur Stellung und Neuorganisation der Justiz eine vorrangige: Ein Staat, ob gut oder schlecht, links oder rechts, kann ohne etablierte Justiz weder funktionieren noch herrschen. Rechtsextremismus in der Juristerei, bei Richter*innen, Staatsanwält*innen und Jurist*innen ist in Deutschland ein Erbe des Nationalsozialismus. In den fünfzehn Jahren der nationalsozialistischen Herrschaft wurde das Rechtssystem umgekrempelt, Jurist*innen anders ausgebildet, neue Gerichte kreiert, mit eigenen Werten, Maßstäben und Urteilen, mit wohlbekannten und schrecklichen Folgen, die bis heute das deutsche Recht prägen. Sie sind Ermahnung und Erinnerung zugleich, dafür dass man sich für den Rechtsstaat vehement einsetzen muss, der alles andere ist als selbstverständlich.

Heute sind Probleme mit Rechten Tendenzen – vor allem in der Justiz – andere, als sie es zur Zeit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland waren. Nach dem Krieg mangelte es in Deutschland an allem: an Essen, Unterkünften, Medizin, Männern, von brauchbarer und verlässlicher politischer Leitung und anständigen deutschen Gesetzen ganz zu schweigen.
Die Entscheidung der Besatzungsmächte, das was von der deutschen Justiz und ihren Richtern übrig geblieben war, der Entpolitisierung zu unterziehen, sollte nicht nur eine gewisse Selbständigkeit der deutschen „Justiz” wiederherstellen, sondern auch deutsch ausgebildete, in den Augen der Bevölkerung legitim deutsche Richtern wieder richten lassen. Es ist einleuchtend, dass sich kein britischer, französischer, amerikanischer oder sowjetischer Jurist freiwillig gemeldet hätte, sechs Jahre deutsches Jurastudium nachzuholen oder nachzuvollziehen, um das deutsche Rechtssystem zu erneuern und mit den landesüblichen Werten, gesäubert von den nationalsozialistischen „Innovationen”, einen neuen Anfang zu erlauben.

Ein kleiner Zeitsprung in die fünfziger Jahre. 1951 trat das »Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes (GG) fallenden Personen« in Kraft. Zu diesen Personen zählten Angehörige des öffentlichen Dienstes, einschließlich der Geflüchteten und Vertriebenen, die am 08. Mai 1945 im öffentlichen Dienst standen. Diese Norm ermöglichte es ihnen, in ihre alten Rechtsverhältnisse zurückzukehren.
Der Ansturm der früheren Beamten und Juristen war groß: So groß, dass nach Inkraftsetzung der Vorschrift in Teilen Westdeutschlands proportional mehr ehemalige NSDAP-Mitglieder als Richter tätig waren, als dies 1939 der Fall war.

Die Akte Hans-Joachim Rehse

Als Beispiel hierfür könnte Hans-Joachim Rehse genannt werden. Dieser war ab 1941 Richter am Volksgerichtshof gewesen, eines der nationalsozialistischen Sondergerichte. Während seiner Amtszeit wirkte und richtete er an mindestens 210 Todesurteilen mit. Um das Ausmaß der Willkürjustiz zu erahnen, ist in einem Urteil aus dem Jahre 1943 zu lesen, dass der Angeklagte „einer schwangeren deutschen Frau eines deutschen Soldaten […] ihren Glauben an unseren Sieg geschwächt hat. […] Durch diesen Angriff auf unseren Wehrwillen ist er (der Angeklagte) für immer ehrlos geworden und wird mit dem Tod bestraft.” Rehse nahm sich am Ende des Krieges, im Gegensatz zu vielen seiner Richterkollegen, nicht das Leben.
Ganz im Gegenteil: 1956 nahm er die Tätigkeit als Richter in Schleswig-Holstein wieder auf, bis im darauffolgenden Jahr von der Staatsanwaltschaft Flensburg ein Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet wurde, das mangels ausreichender Beweise bald wieder eingestellt wurde.
Bis 1963 lehnt das OLG München Rehses Verfolgung ab, weil ihm kein Vorsatz nachgewiesen werden könne. Er habe das damals geltende Recht angewendet und sei nicht darüber hinaus gegangen. Erst 1967 wird er – als erster ehemaliger Richter eines der nationalsozialistischen Sondergerichte – zu fünf Jahren Zuchthaus für Beihilfe zum Mord vom LG Berlin verurteilt. Dieses Urteil hob der BGH mit der richtigen Begründung auf, Rehse sei nicht bloßer Gehilfe, sondern Täter gewesen. Da es aber noch immer keine ausreichenden Beweise zur Frage des Vorsatzes gab, wurde Rehse vom LG Berlin wieder freigesprochen. Studenten gratulierten ihm anschließend in sarkastischen Zeitungsartikeln zum Sieger des „Roland-Freisler-Wanderpokals.” Roland Freisler war nicht nur Rehses Vorgesetzter am Volksgericht gewesen, die juristischen Ausarbeitungen der menschenverachtenden „Endlösung” an der Wannsee Konferenz gehen u.a. auf sein Konto.
Rehse verstarb 1969 an einem Herzinfarkt, was seinen Prozess endgültig beendete.

Von einem erhöhten Verfolgungsrisiko der ehemaligen Nazi-Juristen zeugt § 116 des Deutschen Richtergesetzes vom September 1961, in dem allen „vorbelasteten” Richtern ein würdevolles und schmerzloses Abtreten aus ihrem Amt angeboten wurde.
Die sechziger Jahre waren geprägt von den Fritz Bauer Prozessen gegen diejenigen, die in Auschwitz gedient hatten; Die 68er Bewegung der Student*innen gegen ihre Nazi Professoren waren die Reaktion einer neuen, demokratischen Generation, die mit den bewiesen rechtsextremen Nazis oder jedenfalls Mitläufern, konfrontiert waren und das Grundgesetz, in seinem Wortlaut und im Sinne der Gerechtigkeit, so umgesetzt sehen wollten, wie es konzipiert worden war.

Neutralitätsgebot, Mäßigungsgebot und richterliche Unabhängigkeit in a nutshell

Richter*innen sind auch nur Menschen. Die Annahme, sie würden stets neutral und vorurteilsfrei richten, ist schlichtweg falsch.  Sie machen Fehler und sind – wie uns die Geschichte gelehrt hat – nicht davor gefeit, „auf dem rechten Auge blind“ zu sein.
Welche Instrumente stellt unser Rechtssystem also eigentlich bereit, um eine unparteiische Rechtsprechung zu garantieren?

Im Amt unterliegen Richter*innen dem Gebot, ihre Aufgaben „politisch neutral als Diener des Rechts“ wahrzunehmen, wie das BVerfG in den 80er Jahren festgestellt hat.
Das Neutralitätsgebot ist Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips. Es beinhaltet insbesondere auch, dass unvoreingenommen an Gerichtsverfahren herangegangen wird und damit einhergehend das Verbot, eine Streitpartei im Verhältnis zur anderen unangemessen zu bevorzugen oder zu benachteiligen. Nicht nur bei der Wahrnehmung ihrer Amtsgeschäfte, sondern auch im Privaten unterliegen sie einer besonderen Regelung: Dem Mäßigungsgebot. Ausgangspunkt ist die Tatsache, dass Richter*innen selbstverständlich bürgerliche Rechte genießen. Sie dürfen und sollen ihre eigenen politischen Ansichten und Meinungen bilden, vertreten und öffentlich äußern – auch zu politisch kontroversen Themen. Gleichzeitig unterliegen sie dabei aufgrund ihrer Amtsstellung strengeren Regeln, als „normale“ Staatsbürger*innen: Bei politischer Tätigkeit müssen sie diejenige Mäßigung und Zurückhaltung wahren, die sich aus ihrer Stellung gegenüber der Allgemeinheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten ihres Amtes ergibt*. Bei dem was sie als Privatperson sagen oder tun, dürfen weder Zweifel an ihrer Verfassungstreue, noch an ihrer Unabhängigkeit aufkommen.

Der wichtigste Grundsatz in diesem Themenkomplex ist in Art. 97 GG normiert.
Laut dieser Vorschrift sind Richter*innen unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen.
Die Schutzdimension der richterlichen Unabhängigkeit hat zwei Ausprägungen: Richter*innen sind sowohl sachlich, als auch persönlich unabhängig.
Sachliche Unabhängigkeit bedeutet, dass sie strikt nach dem Gesetz zu entscheiden und persönliche Ansichten hintenanzustellen haben. Insbesondere sind sie nicht an Weisungen gebunden. Aus diesem Grund ist der Kernbereich richterlicher Tätigkeit – dazu gehört jedenfalls die Rechtsfindung als solche – der Dienstaufsicht entzogen. Die Qualität von richterlicher Rechtsanwendung und Entscheidungsfindung ist daher nur in Grenzen messbar, steht sie doch im Spannungsfeld mit der richterlichen Unabhängigkeit.
Die persönliche Unabhängigkeit sichert auf Lebenszeit ernannte Richter*innen grundsätzlich davor ab, gegen ihren Willen versetzt und nur bei schweren Verfehlungen aus ihrem Amt entfernt zu werden.

Notwendige Voraussetzung für das Amt als Richter*in ist nicht zuletzt die Verfassungstreue.
§ 9 Abs. I Nr. 2 DRiG (Deutsches Richtergesetz) schreibt vor, dass nur in das Richterverhältnis berufen werden darf, wer neben anderen Voraussetzungen „die Gewähr dafür bietet, dass er jederzeit für die freiheitliche, demokratische Grundordnung eintritt“. Auch haben Richter*innen öffentlich einen Eid zu leisten, bei dem sie auf die Einhaltung des Grundgesetz schwören, so wahr ihnen Gott helfe**. All diese Gebote und Grundsätze sollen die Gewähr dafür bieten, dass die Rechtsprechung neutral und nur am Maßstab von Recht und Gesetz entscheidet und politisch nicht instrumentalisiert wird. Wie aber wird die Verfassungstreue ganz konkret überprüft? An welchen Kriterien wird sie gemessen? Welche Dokumente, Äußerungen, Erkenntnisse werden für diese Entscheidung herangezogen und ausgewertet?

Die Auswahlverfahren für die Berufung in das Richterverhältnis sind nicht bundeseinheitlich geregelt. Da den Ländern die Personalhoheit bei der Richter*innenbestellung zukommt, entscheiden diese auch darüber, ob es beispielsweise einen Richterwahlausschuss gibt. Diesem wiederrum steht dann der Entscheidungsspielraum bei der Bewertung der Verfassungstreue zu. Die Antwort auf die oben angerissenen Fragen, nämlich dass es keine einheitlichen Regelungen hinsichtlich der Überprüfung der Kriterien gibt, ist nicht wirklich befriedigend.

Und was geschieht eigentlich, wenn Richter*innen das Recht brechen?
Für den Fall unrichtiger Rechtsanwendung hält das Strafrecht einen Tatbestand bereit: die Rechtsbeugung nach § 339 StGB. Diese ist laut dem BGH aber nur sehr restriktiv auszulegen, sodass nicht bereits jede unrichtige Rechtsanwendung unter den Tatbestand falle.
Nur der Rechtsbruch als elementarer Verstoß gegen die Rechtspflege sei unter Strafe zu stellen. Rechtsbeugung begehe daher nur, wer sich bewusst und in schwerwiegender Weise von Recht und Gesetz entferne.Die restriktive Auslegung des BGH sowie die Tatsache, dass sich Rechtsbeugung nur schwer nachweisen lässt – gerade weil sie im Spannungsverhältnis zur richterlichen Unabhängigkeit steht – erklären, warum es kaum Verurteilungen gibt und sie eher ein Schattendasein fristet.

Die sogenannten Einzelfälle

In den letzten Jahren häuften sich deutlich die Fälle, in denen die Nicht-Einstellung oder Einstellung eines Verfahrens auf eine rechtsnationale Gesinnung zurückzuführen war.
Der Einzug der AfD in den Bundestag korreliert mit dieser Steigerung relativ eindeutig, auch, wenn sich nicht genau sagen lässt, wie viele AfD-Mitglieder tatsächlich als Beamte beschäftigt sind. Was die Justiz angeht, so geht man bundesweit von 9 AfD-affinen Richter*innen und Staatsanwält*innen aus. Das klingt überschaubar – jedoch hat die Anzahl der Fälle nicht notwendig etwas mit ihrem Gewicht oder ihrer Auswirkung auf das Ansehen der Justiz zu tun. Verwunderlich ist auch, dass keiner dieser Fälle in der breiteren Öffentlichkeit bekannt zu sein scheint. Während Gewalteinsätze bei der Polizei in der Öffentlichkeit (natürlich zurecht) angeprangert werden, herrscht bezüglich rechten Tendenzen in der Justiz mediale und gesellschaftliche Zurückhaltung.

Noch nie gehört?

Martin Zschächner, Jens Maier, Thomas Seitz: noch nie gehört? Das alles sind Beispiele für Richter und Staatsanwälte, die in den letzten Jahren durch tendenziöse Entscheidungen auffielen. Beispiel Zschächner: schon im Studium war er als „Jura-Nazi“ bekannt, wurde öfters des Hörsaals verwiesen und fiel durch seine rechtsextreme Gesinnung unter Kommilitonen offensichtlich auf. Bei seinem Eintritt in die Justiz wurde er keinerlei Überprüfung unterzogen und thronte dann – ausgerechnet – als Staatsanwalt für Strafverfahren mit politischem Bezug, also für Extremismusfälle, in Gera. Bislang werden ihm eine Spende an die AfD und einige Entscheidungen vorgeworfen, die erheblich an seiner Neutralität zweifeln ließen. So soll Zschächner mit AfD- Anhänger*innen besonders milde und mit AfD-Kritiker*innen besonders hart umgegangen sein. Zschächner fiel schlussendlich auf, als er 16 Monate lang auf einem Verfahren gegen eine linke Künstlergruppe, die Björn Höcke kritisiert hatte, beharrte – obwohl sich ihre Aktionen eindeutig als Satire einstufen ließen. In Fällen, in denen AfD-Mitglieder betroffen waren, sah Zschächner das mit der Meinungsfreiheit etwas liberaler. So störte es nicht, dass ein Mitarbeiter eines AfD-Landtagsabgeordneten auf Facebook „Afros“ als „Urmenschen“ bezeichnete, die „in eine Zivilisation hinein gezwungen wurden“. Das sei schließlich lediglich eine „wertende Äußerung zur menschlichen Kultur- und Zivilisationsgeschichte“, so Zschächner.

Vor Gericht und auf hoher See…

Die Frage, die sich hier stellt, ist natürlich folgende: wenn wir politische Tendenzen bei rechtsorientierten Richter*innen verurteilen, sollten wir das dann auch bei denjenigen tun, die liberal oder links ausgerichtet sind? Es wäre nur konsequent. Denn ungeachtet der Tatsache, ob rechtsextreme, menschenverachtende Äußerungen als Meinungen geschützt sein sollten oder nicht, geht es hier vor allem um eines: Neutralität vor Gericht.
Die Meinungsfreiheit eines Richters oder einer Staatsanwältin endet dort, wo Zweifel an seiner oder ihrer Unparteilichkeit und Unbefangenheit gegenüber Angeklagten anfangen. Daran fehlt es eindeutig, wenn Richter wie Jens Maier auf einer Rede konstatieren, der „Schuldkult sei nun endlich beendet“ oder vor der „Herstellung von Mischvölkern“ warnen. Genau so hat man berechtigte Gründe zum Zweifel, wenn der ehemalige Staatsanwalt Thomas Seitz auf Facebook postet, Geflüchtete seien „Invasoren“ und Barack Obama ein „Quotenneger“. Dabei ist es egal, ob solche Aussagen innerhalb oder außerhalb der Gerichtssäle fallen: Ein Justizbeamter darf weder im Amt noch außerhalb das Vertrauen in seine Unabhängigkeit gefährden. Diese ist schließlich an erster Stelle Sinn und Zweck seines Berufs.

Das kann man allerdings auch anders sehen. Richter*innen spielen nicht nur eine wesentliche Rolle für die Wahrung, sondern auch für die Fortentwicklung des Rechts. Gerade dort, wo sich in einem Fall vor Gericht eine „unerträgliche Ungerechtigkeit“ abspielt, sind sie doch dazu verpflichtet, diesen Zustand nicht einfach so hinzunehmen. Andererseits dürfen die Aufgabenbereiche von Gerichten, Parlamenten und der Zivilgesellschaft nicht so weit verschwimmen, bis ihre eigenständige, individuelle Funktion vollständig aufgehoben ist. Die Gerechtigkeit vor Gericht sollte zuerst einmal darin bestehen, dass alle der gleichen Ungerechtigkeit ausgeliefert sind. Ob eine derartige hundertprozentige Neutralität überhaupt möglich ist, kann man bezweifeln – aber sie sollte zumindest der angestrebte Maßstab sein.

Das Problem mit den Schöffen

Nun gibt es eine Institution in der Justiz, welche die Justiz vor zu viel abgehobener, realitätsferner Juristerei schützen soll: das Schöffenwesen. Dabei handelt es sich um ein staatsbürgerliches Ehrenamt, das grundsätzlich jeder und jede Deutsche im Alter zwischen 25 und 69 Jahren übernehmen kann. Schöffen werden von Gemeindevertretungen vorgeschlagen und von Wahlausschüssen unter Beteiligung der Justiz gewählt.

Kein anderes Amt kann Nicht-Jurist*innen so viel Macht im Justizwesen verschaffen, wie das eines Schöffen. Sie haben in bestimmten Konstellationen direkten Einfluss auf Urteile: Im Schöffengericht können beispielsweise zwei Laien einen Juristen überstimmen. Im Schwurgericht können zwei Laien gemeinsam zwar keinen Freispruch, aber immerhin eine Verurteilung verhindern. Mehr Justizmacht geht also kaum.

Schöffen unterliegen außerdem keiner Dienstaufsicht und können laut Verfassungsgerichtshofgesetz auch nicht abberufen oder sanktioniert werden. Dennoch unterliegen sie per Gerichtsbeschluss denselben Pflichten zur „Verfassungstreue“ wie Berufsrichter. „Verfassungstreue“ – das bedeutet die Pflicht, sich eindeutig von Gruppen und Bestrebungen zu distanzieren, die die geltende Verfassung angreifen, bekämpfen oder diffamieren. Es reicht allerdings nicht, dass Richterin XY eine bestimmte Gesinnung hat – vielmehr muss sich diese Haltung in einem konkreten Verhalten externalisiert haben, um verfolgt werden zu können. Das Problem mit den Schöffen ist, dass es Sinn dieser Institution ist, die „Meinung von der Straße“ in Gerichte zu tragen. Das ist an sich angesichts der hohen Wissensgefälle zwischen Jurist*innen und Laien in Sachen Recht auch eine sinnvolle Idee. Ein bisschen Lebensnähe schadet der Juristerei nicht. Problematisch wird es nur, wenn feindselige Stimmungen aus dem Volk, wie etwa gegen Geflüchtete, in Gerichtssäle diffundieren. Die Gefahr besteht natürlich nicht nur bei Schöffen, sondern auch bei Berufsrichter*innen. Dennoch ist die verminderte Aufsicht bei Schöffen und ihre teilweise doch erhebliche Machtposition gefährlich. Pegida, AfD und NDP haben diese Lücke schon lang erkannt und rufen ihre Mitglieder dazu auf, sich als Schöffen zu bewerben, um zu garantieren, dass Entscheidungen insbesondere bezüglich Migrant*innen nicht etwa aus sogenannten „Beweggründen politischer Korrektheit“ getroffen werden.

Über die Rolle von Gerichten kann man sich streiten. Letztlich sind Unabhängigkeit und Unbefangenheit jedoch der Kern dieser Institution. Ob man „nur“ von Einzelfällen oder von einem strukturellen Problem sprechen kann, lässt sich aufgrund der beschränkten Informationen über Rechtsextremismus in der Justiz noch nicht sagen. Eins steht jedoch fest: Gewisse Probleme, wie die Uneinheitlichkeit und Intransparenz der Einstellungsverfahren sind jedenfalls strukturimmanent. Dazu kommt, dass es an juristischen Fakultäten Deutschlands an kultureller Diversität erheblich mangelt. Letztlich mag man es auch als ein sogenanntes „strukturelles Problem“ bezeichnen, dass wir überhaupt so wenig über Rechtsextremismus in der Justiz wissen. Man wird also Reformen der Einstellungs- und Sanktionierungsverfahren anstreben und Begriffshülsen wie „Verfassungstreue“ eindeutiger bestimmen müssen, um Willkür und Uneinheitlichkeit zu vermeiden. Außerdem stellt sich vor allem eine Frage: Wer kontrolliert die Justiz, wenn nicht die Justiz selbst? Medien können aufdecken und anprangern, aber es fehlt eine fachspezifische Institution, die Überprüfungen vornimmt. Angesichts der sich häufenden sogenannten Einzelfälle gilt es, das Ruder dieses Mal rechtzeitig in die Hand zu nehmen.

* § 33 Abs. II BeamtStG schreibt dies explizit für Beamte vor. Richter*innen sind keine Beamte, stehen aber beim Bund oder einem Land in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis, das dem Beamtenverhältnis ähnelt. Sie sind Beamten in vielen Dingen gleichgestellt.

**Der Eid kann auch ohne die Worte „so wahr mir Gott helfe“ geleistet werden, vgl. § 38 Abs. II DRiG.